Als Fünfzehnjähriger war ich Schulverweigerer. Ich weiß noch genau wie mein Vater mich aus dem Bett zerrte, damit ich "in die Gänge" kam. Mit Sechzehn dann, mit mehr als einem Monat an Fehltagen, war es genug: Ich änderte mein Verhalten, gründete einen eigene Philosophie AG, und führte ein schulkritisches Theaterstück mit Flashmob auf. Die Aktion hieß Freeze and Think, und sollte zum Selbstdenken anregen, und verfasste ich eine Parabel auf Schüler, Lehrer und die gesellschaftliche Elite, und schrieb eine etliche Seiten lange Interpretation des Ganzen inspiriert von Philosophen wie Camus, Hobbes, Rousseau und Kant, dessen Kritik der reinen Vernunft ich in Teilen las . Ich hatte eine 4 in Mathematik und Italienisch, hatte ständig gefehlt, 40 Fehltage angehäuft, was den Ausmaß meines Fehlens allerdings nicht einfängt, war ich doch sehr selten einen Schultag völlständig in der Schule, ging vorher nach Hause, auf den Dachboden oder in den Park, wo ich über den Deutschen Idealismus las. An meinen intellektuellen Fähigkeiten lagen die schlechten Noten nicht, schrieb ich doch im Abi 14 Punkte in Mathe (1,0), im letzten Halbjahr sogar perfekte 15 Punkte in Mathe und Italienisch.
Überhaupt legte ich mich im Abi mehr ins Zeug (erschien zum Unterricht), sodass ich einen Schnitt von 1,1 bis 1,0 in den Noten hatte, mein schlechtestes Fach war auch mein Leistungskurs, Kunst. Dazu muss man sagen dass ich als Kind das Zeichnen sehr geliebt hatte und studenlang an sehr detailierten, aufwendigen Zeichnungen saß. Einmal hat eine Person in einem Zug meine Zeichnungen gesehen und wollte sie prompt als Tattoo haben.
Aber in der Schule ging das nicht. Schule erstickt jegliche wahre Kreativität, so wie sie heute funktioniert.
Ich hatte immer eine 1 in Deutsch gehabt, liebte ich doch das lesen .Doch wirklich Spaß gehabt hatte ich nie, wusste ich doch durch meine eigene Philosophie AG, dass es auch anders gehen kann, dass man auch durch Lehren lernen kann, und dass das viel schöner ist als nur stupides Informationen wiederkauen (genau so etwas will Magarethe Raßfeld vom Reallabor einführen, einen Friday an dem Schüler und Lehrer Plätze tauschen, siehe unten).
Aber in der Schule ging das nicht. In der Schule muss man lauschen und soll nicht plauschen, so wie sie heute funktioniert. Da ich die und über die großen Philosophen las, von Anaximander bis zu Kant, war Kritik mir sehr wichtig geworden. Das Selbstdenken war mir wichtig geworden. Und so diskutierten wir über Literatur und Philosophie in unserer Freizeit und in Philter, meiner Philosophie-AG, und kamen intellektual voran.
Doch in der Schule ging das nicht. In der Schule war wiederkauen angesagt, und was wirklich neues kam eigentlich nie dazu, weil was wirklich neues immer was eigenes ist. Und Kritik war sowieso nicht gern gesehen.
Zum selbstständig denken gehört dann auch eigenständig handeln. Ich recherchierte im Jahr meines Abiturs auf eigene Faust über den Abgeordneten des Frankfuter Nationalparlaments 1848 Christian Minkus, mein Vorfahre väterlicherseits. Ich fand höchst interessante Dokumente, von der Forschung fast komplett unbeachtet, die mir durch die Digitalisierung zufielen. Da war der erste Immunitätskonflikt in einem deutschen Parlament, ein Präzedenzfall, der nach englischem Recht ganze Bücher über die Rechte und Pflichten eines Abgeordneten produziert hätte. Und es betraf meinen UrUrUrUrgroßvater, der als einziger Vertreter des einfachen Standes in das Frankfurter Nationalparlament gewählt wurde. Ich hatte etwas neues gelernt, wirklich gelernt, weil ich eigenständig gehandelt habe.
Aber in der Schule ging das nicht. Gerade so hatten wir unserer Philosophie AG durchgekriegt, der zuständendigen Lehrerin die uns "betreuen" sollte (Sie war neu und völlig überfordert) stieg bald bei uns aus weil sie den Druck unserer Schulleiterin spürte. Wir führten unser Theaterstück auf und setzten unseren Flashmob ohne jegliche Hilfe von Seiten der Schule durch.
MIt meinem miesem Zeugnis in der Hand beschloss ich es im Abi anders zu machen. Ich legte mich ins Zeug, ging sogar freiweillig zur Nachhilfe und formulierte meine Ziele klar. Ich hatte mich angepasst, war sogar Schulsprecher im letzten Schuljahr geworden und führte ein App-Projekt durch, dass die Kommunikation zwischen Lehrern und Schülern verbessern sollte (es kam dann tatsächlich zu einer Vertretungsplan-App). Ich beschloss, dass ich auf einer guten Universität studieren wollte, und zwar in Oxford Philosophy Politics und Economics. Das war wie perfekt für mich, Philosophie, aber auch VWL über die ich ein paar Bücher gelesen hatte und die mir zu sagte, und Politikwissenschaften, ich komme aus einer Politikerfamilie. Ich erreichte den notwendigen Notenschnitt, sogar mit etwas Puffer.
Doch dann kamen die Abiprüfungen, und auf einmal trat mein rebellischer Geist wieder hervor. Ich wollte etwas Unerhörtes wagen: Ich wollte die bestmögliche Abiturprüfung schreiben, und zwar die ich für am besten befand und nicht das was der Abiturprüfer für am besten hielt.
Aber in der Schule ging das nicht, ich vermasselte mein Abi. Ich schrieb 8 Punkte, eine 3 in Geschichte, wo die Zeit um 1848 als Thema dran kam. Genau das Thema von dem ich am genausten Bescheid wusste, und zu dem ich später eine Recherche schreiben würde. Aber ich erzählte nicht das was die Lehrer hörten wollen, sondern das was ich am wichtigsten fand.
Ich schrieb 8 Punkte in Kunst, weil ich endlich so malte wie ich malen wollte, ich ging zurück zu meinen Kindertagen, streifte den Stil ab den ich mir in der Schule angeeignet hatte damit meine Noten klappten. Ich malte in der Prüfung so, wie ich gerne malen wollte, malte das beste Bikd, das ich malen konnte.
Ich schrieb 6 Punkte in Deutsch, eine Vier. Noch nie hatte ich Deutsch etwas anderes als eine 1 gehabt. Wie kam es dazu? Ich sah die möglichen Prüfungsthemen und da war eine Möglichkeit einen Essay über Shakespeare und Nietzsche zu schreiben. Die anderen Versionen waren sicherer aber ich wollte alles geben, den besten Aufsatz meines Lebens schreiben. Den schrieb ich dann auch, meines Erachtens nach, und bezog mich lang und breit auf Nietzsches Werke, über die ich einiges gelesen hatte und später selbst lesen würde, in einem Stil den heute kaum jemand mehr schreibt, mit einer enormen Dichte an vielsilbigen Wörtern.
Die beiden Fächer in denen reine Fähigkeitsabfrage gefordert war, Mathe und English, bestand ich beide mit 14 Punkten. Hier gab es nicht viel zu rebellieren.
Am Ende war meine Schnitt von 1,1 zu einem Schnitt von 1,5 geworden. Aus der Traum von Oxford. und PPE für das man mindestens ein Abi von 1,3 benötigt. Ich war am Boden zerstört.
Danach
Dann, fünf Jahre danach, ich hatte eine echte Odysee in der deutschen Hochschullandschaft hinter mir (die Probleme mit der (Hoch)schule hörten an der Universität nicht auf, auch wenn sie eine andere Form annahmen, am Ende sah ich ein dass ich mich selbst würde bilden müssen, und startete mein eigenes Studium Universale) meldete sich Ute Puder vom Reallabor bei mir. Sie wusste dass ich eine Aktion gegen Scnule hinter mir hatte, und meine Erfahrung sei hilfreich für die Elf Rebellinnen, die am Reclam-Gymnasium gegen die Bedingungen an ihrer Schule protestierten, und so eine kleine Bewegung losstürzten. Was genau hier passiert weiß ich noch nicht. Wahrscheinlich führen wir wieder ein Theaterstück auf, vielleicht gründen wir eine neue Schule, wer weiß?